Da meine liebe Freundin und Kollegin Denisa Vadala derzeit ihre Webpage umbaut, sie mich aber von Anfang an darin bestärkt hat, diese Blogparade zu initiieren, möchte ich ihr gerne auf meiner Seite Platz für ihren Beitrag einräumen.
GASTBEITRAG von Denisa Vadala:
Über das Recht eine Rabenmutter zu sein
Ich weiß sehr wohl, dass diese Überschrift durchaus provokant ist und sicher bei der einen oder anderen Leserin kontroverse Gefühle auslösen wird. Ich habe ein Problem mit dem verklärten, kitschigen und nicht mehr der Zeitqualität entsprechendem Mutterbild. Ich ganz persönlich – das heißt, ich berichte hier von einer eher subjektiven Perspektive, die keinerlei Anspruch auf Richtigkeit erhebt!
Kindergrippe und Uni statt Nestchen
Ich habe, nach der Geburt meines Sohnes, nicht die Zeit genutzt, um mich gemütlich und liebevoll für die nächsten drei Jahre um ihn zu kümmern. Zumindest sehe ich das bei vielen Frauen in meinem Umfeld so. Nicht, dass ich nicht liebevoll gewesen wäre, aber sicher nicht nur. Mein Kind kam im Alter von einem Jahr in die Kinderkrippe. Und ich fing mit meinen Studium an. Es war eine bewegte Zeit, die viel von uns forderte, aber es ist der Weg, den wir uns entschlossen haben zu gehen. Ich brachte ihn in der Früh hin und ließ ihn schreiend und bitterlich weinend zurück. Natürlich brach es mir das Herz, doch da war etwas in mir drin, das auch den eigenen Weg gehen wollte – die Rabenmutter. Ich kam an in der Uni, und ich erinnere mich so gut daran, auf dem Flur war ein Münztelefon – wir hatten damals noch keine Mobiltelefone. Und das erste was ich tat, bevor ich in den Kurs ging, ich rief in der Krippe an um zu fragen, hat er aufgehört? Hat er aufgehört zu weinen, mein Sohn? Na klar hatte er, lange bevor ich anrief hatte er schon, doch ich brauchte wesentlich länger um mich auf den Unterricht konzentrieren zu können.
Vom Unsinn, es allen Recht machen zu wollen
Mein Sohn hatte auch ein ausgesprochenes Talent dafür, dann krank zu werden, wenn ich mich auf eine wichtige Prüfung vorbereiten musste oder ein Projekt hatte. Dann hatte ich nicht die gleiche Zeit zur Verfügung, wie die meisten anderen, denn die hatten ja keine Kinder:-) und die Rabenmutter in mir wurde unruhig und zickig zu ihrer Umgebung. Sie war total überfordert damit, auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen zu wollen, Studium, Haushalt, Kind und auch noch eigene Interessen unter einem Hut zu bekommen. Und das entspannt? Nicht die Bohne – nicht mit mir…Es ist wirklich unnötig mich daran zu erinnern, dass man solche Situationen auch anders lösen kann, viel gemütlicher und langsamer. Ich war so, genauso, wie ich es hier beschreibe. Da war absolut gar nichts von gemütlich sondern viel von erreichen wollen, viele perfektionistische Ansprüche, viel Leistungsgeilheit (tolles Wort, hab ich grad erfunden!), viel gehetzt sein. Das machte mich als Mutter nicht immer soft und kuschelig und verständnisvoll. Oft trieb ich meinen Sohn in der früh an: „komm, trödele nicht so lange, ich muss weiter!“
Und so geht die Geschichte weiter und weiter – und natürlich bin ich auch verständnisvoll, und natürlich bin ich auch kuschelig und nehme mir mal die Zeit! Aber eben nicht immer. Und in den Zeiträumen, in denen ich das nicht tue, in den Zeiten, in denen die Rabenmutter regiert, da fühlte ich mich lange, lange Zeit schuldig, habe mich geschämt, habe versucht das zu kompensieren durch noch mehr Perfektion und noch mehr gehetzt sein.
Rabenmutter, geh deinen Weg
Und ich merke doch, dass es da draußen vielen Frauen ähnlich geht – dass die innere Rabenmutter etwas ist, was wir zutiefst versuchen abzutrennen, weg zu schieben, zu verstecken.
Wenn ich mich als Wesen in meinem Leben an erster Stelle sehe und so agiere, dann hat das nichts mit Egoismus, sondern mit einer gesunden selbsterhaltenden und selbstliebenden Haltung zu tun. Denn wenn ich mir alles gebe, was ich benötige, dann kann ich meinem Umfeld und vor allem meinem Sohn alles geben!
Ich habe meinem Sohn kein heiles und kein heiliges Leben vorgelebt. Und ja, ich habe mich oft genug dafür schuldig und schlecht gefühlt. In all den schlaflosen Nächten, von denen er vermutlich nichts mitbekommen hat.
Aber ich war immer ehrlich und bin einen authentischen Weg gegangen. Einen Weg, auf dem ich mich getraut habe, mich für mich zu entscheiden und die Idee, ich müsste mich für mein Kind aufopfern, aus meinem Bewusstsein gestrichen habe.
Ich bin eine Rabenmutter. Aber eine ganz schön glückliche Rabenmutter – und ich wage zu behaupten, mit einem glücklichen Sohn!
Bemerkung: Dieser Artikel ist vor einigen Jahren bereits entstanden und traf auf große Resonanz in meinem Frauennetzwerk. Ich möchte ihn aktuell um zwei Nachträge ergänzen, die ich für wichtig erachte.
- Nachtrag: Letzte Weihnachten bekam ich von meinem Sohn (inzwischen bald 23 Jahre) einen persönlichen Brief. Mit Hand geschrieben und in Schönschrift. Ich merkte, das was er in diesem Brief festhalten wollte, war ihm sehr wichtig. Es war ein Dankesbrief. Und das Schönste, das absolut Berührendste für mich darin war, er bedankte sich bei mir dafür, dass ich ihm vorgelebt habe, wie man zu einem glücklichen Menschen wird. Ein schönes Geschenk für eine Rabenmutter
- Nachtrag: Ich nehme an einem Mentoring-Programm für Erfolgsfrauen teil. Mit über 70 tollen Unternehmerinnen. Darunter natürlich auch Mütter, na klar. Und wir hatten ein Livetreffen mit einem sehr spannenden Seminar. Darin haben wir sehr viel miteinander gearbeitet, uns ausgetauscht, erfahren, bewegt. Warum es mir so am Herzen liegt davon hier nochmal zu berichten ist folgende Erfahrung. Es ging um die Themen Selbstermächtigung und Verantwortung übernehmen. Zu verschiedenen Themenbereichen, die wir Frauen uns einbringen durften, wurden „Arbeitsgruppen“ gebildet. Ein Bereich davon war „Frauen und Kinder“. Und ich erlebte so viel Ohnmacht, Unsicherheit und Überforderung bei den jungen Müttern, die sich zum Teil auch in Stich gelassen fühlen. Von der Gesellschaft, von den Familien. Ich erinnerte mich daran, dass es mir sehr ähnlich ging. Wir konnten uns in diesem Seminar für ganz kreative und ganz neue Wege öffnen. Wir stellten gemeinsam fest, dass wir u.a. eine sehr große Belastung dadurch empfinden, dass unsere Kinder einem nicht kindgerechtem Schulsystem ausgeliefert sind. Und ja – viele dieser Mütter trauen sich nicht dagegen vorzugehen und etwas zu bewegen. Oft fühlen wir uns zu „klein“. Zu alleine mit unseren tiefsten Gefühlen ungenügend zu sein. In einer Visionären Handlung sprachen wir darüber, das Schulsystem so wie es ist, abzuschaffen. Und Frauenzentren zu gründen. In denen sich Frauen gegenseitig mit den Kindern unterstützen. Viele wunderbare Ideen durften wir austauschen und gemeinsam weben. Und fühlten uns durch die wohlwollende Verbundenheit bestärkt. Nicht mehr so ohnmächtig. Und was, wenn genau der Anteil der inneren Rabenmutter uns darin unterstützt, solche Visionärinnen zu werden und in dieser Welt viel Schönes, Gesundes und Gutes zu bewirken. Auch für unsere Kinder…und nicht nur! Sondern für uns alle!
Falls du wissen möchtest, was meine Vorgängerin Katja Muras geschrieben hat, kannst du das hier nachlesen.
Als nächstes wird morgen uns morgen Nathalie Garbotz ihre Rabenmüttersicht vorstellen.
Bildernachweis:
Titelbild: Rabe im Flug pixabay common-raven-3190864_1920
Versöhne dich mich Rabenmama – eigene (Marianne Rott)
Denisa mit Sohn von Denisa Vadala
Toller Text! Ich habe ähnliche Erfahrungen als arbeitende alleinerziehende „Rabenmutter“ gemacht und diese endlose Schuld in uns drin, erstickt uns fast, wenn wir für unser selbstbestimmtes Leben gehen und außer Kind auch noch andere Dinge tun. Wenn wir uns aber für unser Kind aufopfern, ersticken wir auch.
Es ist Zeit, neue Wege zu gehen und Bedingungen zu schaffen, in denen junge Mütter wahrhaftig LEBEN und sich ausdrücken können, wie es ihnen entspricht: arbeiten, studieren, ganz Mutter sein, wie auch immer sie wählen. Ohne als Rabenmutter abgestempelt zu werden.
Danke Marianne, für diese wichtige Blogparade! Danke Denisa, für deine Stellungnahme!
Vielen Dank, liebe Sabine! Ich bin ganz bei Dir – es ist höchste Zeit, dass jede Mutter, IHREN Weg gehen kann, ohne in welcher Art auch immer abgestempelt zu werden
Gerne informiere ich auch Denisa von deinem Kommentar
Alles Liebe
Danke für dein Feedback, liebe Sabine! Ja, das sehe ich auch so – dass es endlich neue Rahmenbedingungen geben muss. Für unsere Kinder und für Mütter. Dafür braucht es uns, Mütter mit langjährigen Erfahrungen, die mutig sichtbar machen, sich solidarisch zeigen! Und das wir aufhören so zu tun, als ob Muttersein nur romantisch und schön verklärt sei. Realistisch aufzeigen, Vorschläge zur Hilfe anbieten – wie die Frauenzentren, die wir als Vision bereits beim Treffen letztes Wochenende anvisiert haben! Alleine das Aussprechen – wie hier in dem Blog Artikel – sorgt bei vielen überforderten Mütter für ein Aufatmen. Wir dürfen als Mütter noch nicht mal denken „ich habe gerade die Schnauze voll“…wir müssen „Übermenschen“ sein, ein Bild, das die Gesellschaft von uns konstruiert hat. Was überholt ist! Echte Mütter sind mal erschöpft, haben mal keine Lust zum tausendsten Mal die gleiche Geschichte vorzulesen, sind mal gelangweilt – und vieles andere noch! UND sie lieben ihre Kinder während dessen immer, trotzdem, gerade deswegen! Weil sie unsere größte und schönste Herausforderung sind! Uns an Greten bringen. Immer wieder. Und uns damit die Chance geben, diese zu durchbrechen! Danke an die großartigen Kinder!
Vielen Dank Denisa, für diese offenen Worte! Ja, ich denke, sie sorgen für Aufatmen. Das war auch mein Ziel für die Blogparade. Aufzeigen und auf Vorbilder hoffen. Vorbilder für die jetzigen Mütter, die dann wieder Vorbilder für ihre Kinder und somit für die nächste Müttergeneration sind.
Egal, was sich für uns Mamas als richtig anfühlt (ob jetzt kuscheln oder doch lieber Job), unsere Kinder werden es uns danken, wenn wir autentisch leben. Und das sieht man so wunderbar an deinem Beispiel – DANKE